Wie trotzen Rio de Janeiros selbstgebaute Favelas ihrer Verbannung aus der offiziellen Stadt? Wie begegnen sie der Gewaltherrschaft der Drogengangs, Milizen und Militärpolizei? Kann sich ihre Jugend mit Baile-Funk-Tänzen und Hip-Hop-Lyrics die urbane Bürgerschaft erkämpfen oder verwandelt gar die Pfingstbewegung die Favela in eine Stadt Gottes?
Das Buch geht diesen Fragen zu Rios sozialräumlichen Peripherien anhand des foucaultschen Begriffs des Regierens nach, der jenseits des Politischen auch kulturelle und religiöse Praktiken erfasst. Nicht zuletzt zeigt es damit einige blinde Flecken der westlichen Stadtforschung bezogen auf urbane Realitäten im Globalen Süden auf.
Mit ethnografischen Mitteln wird das Regieren der Favela in unterschiedlichen Praxisfeldern multiperspektivisch erkundet. Die historischen Kapitel 2 und 3 erfassen möglichst breit, wie sich ihre spezifische Urbanität herausgebildet hat. Kapitel 4 begegnet der Fragestellung anhand der subkulturellen Praktiken und Repräsentationskämpfe von Baile Funk und HipHop, Kapitel 5 fasst sie aus der Perspektive einer kämpferischen Biografie ins Auge. In Form einer territorialen Analyse untersucht Kapitel 6 die vielfältigen Machtformen, Regierungstechnologien und Infrastrukturen der Favela. Kapitel 7 umkreist dann ihr Fremd- und Selbstregieren über den Umweg religiöser Praktiken und Imaginationen. Der Epilog widmet sich den verheerenden Effekten der globalen Covid-19-Pandemie.
Schließlich bauen die drei fotografischen Serien auf das, was die Erscheinungen selbst offenbaren oder was sie gerade nicht zeigen. Sie gründen auf dem affizierenden Potential der Bilder, mit ihrer anderen Art zu erzählen, ein Gespür und Ideen für das Regieren der Favela zu generieren.
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Stephan Lanz
Das Regieren der Favela. Gewaltherrschaft, Populärkultur und soziale Kämpfe in den Peripherien von Rio de Janeiro
412 Seiten, kart., 72 Farbabbildungen, Transcript, Berlin, 2021, deutsch, 49,00 € (DE) / ISBN 978-3-8376-6020-3
E-Book: PDF, 48,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-6020-7