Self Service City: Istanbul thematisiert aus unterschiedlichen Blickwinkeln die faktische Neugründung der 2700 Jahre alten „Megapolis“: Seit 1950 ist Istanbul von einer Million Einwohner durch Zuwanderung auf über zehn Millionen angewachsen. Auf besetztem Land errichteten die ländlichen Arbeitsmigranten zunächst in Selbsthilfe ihre Gecekondus. Innerhalb eines halben Jahrhunderts entwickelten sich diese informellen „Ersatzstädte“ städtebaulich, kulturell und politisch zu einer der bedeutendsten Komponenten der „selbstgemachten“ Metropole. Eine Entwicklung, die von bürgerlichen Urbanitätsdiskursen oftmals nur als zerstörerische Invasion des bestehenden Istanbuls wahrgenommen wurde.
In den Neunzigerjahren hat sich die Zuwanderung in die Bosporus-Metropole internationalisiert. Heute ist Istanbul wieder jene kosmopolitische Weltstadt, die sie die längste Zeit ihrer Geschichte gewesen war. Ein zweiter Fokus von Self Service City: Istanbul liegt daher auf dem städtischen Handeln von Flüchtlingen und Migranten aus Osteuropa sowie zunehmend aus Asien und Afrika. Historische Viertel verwandeln sich dabei in Praxislaboratorien eines transkulturellen Zusammenlebens. Es handelt sich gerade um die Orte, die im offiziellen Diskurs aus Trauer über eine vorgeblich verlorene bürgerliche Kosmopolizität nostalgisch verschleiert werden, womit der Blick auf selbst organisierte Produktionsweisen von Stadt erneut verstellt wird.
Self Service City: Istanbul versammelt Analysen, Essays, Reportagen, Interviews und Bilder – nicht zuletzt um auch einen Blick auf westeuropäische Metropolen zu werfen, in denen eigenständige Aneignungen städtischer Räume auf ähnliche Weise aus den herrschenden Bildern einer urbanen Civitas ausgegrenzt sind. In einer solchen Perspektive des jeweiligen „Lernens von …“ ergänzen sich die beiden kurz nacheinander erschienenen Bücher City of Coop. Ersatzökonomien und städtische Bewegungen in Rio de Janeiro und Buenos Aires (Hg. Stephan Lanz) und Self Service City: Istanbul mit den bisherigen Bänden der metroZones-Reihe.
Mit Beiträgen von Behic Ak, Ihsan Bilgin, Didem Danis, Deniz Enhos, Sema Erder, Önder Erkarslan, Esra Ersen, Korhan Gümüs, Nurdan Gürbilek, Siren Idemen, Oguz Isik, Ebru Kayaalp, Sirma Köksal, Ömer Laciner, Ayse Öncü, Nuray Mert, Sahan Nuhoglu, Sule Özüekren, Melih Pnarcoglu, Oda Projesi, H. Tarιk Şengül, Mustafa Sönmez, Timur Soykan, Pelin Tan, Cihan Tugal, Nazan Üstündag, Behzad Yaghamanian und Hüsnü Yegenoglu.
Orhan Esen und Stephan Lanz (Hg.)
Self Service City: Istanbul
metroZones 4, b_books, Berlin, 2004, deutsch / ISBN 3-933557-52-6